Workshop-Protokoll
Erwachsenenbildung und interkulturelle Diversität
(kurz:EBID)
Sprachenvielfalt an der Grenze? Ein Erfahrungsaustausch
DOBA, Maribor in Slowenien
11. bis 14. Mai 2010
11. Mai 2010
18 Uhr Ankunft in Maribor
Teilnehmende Organisationen und Personen:
Bildungshaus Schloss Retzhof / Österreich, Polonca Kosi und Sandra Sternberg & Lernende: Erika Wabl Sonnleitner, Eva Surma, Dr. Reinhard Padinger, Daniela Kocmut, Melanie Deng, Tatjana Koren
DOBA / Slowenien, Nives Petek
die Raupe VOG / Belgien, Patrick Kelleter & Lernende: Nicole Emonts, Eliane Nix
Arbeit und Leben e.V. / Deutschland, Lernende: Ralf Pomplitz, Katja Grosche, Norbert Blankenstein
Volkshochschule Regionalverband Saarbrücken / Deutschland, Lernende: Gerhard Rouget, Birgit Rouget
1. 12. Mai 2010, 10 Uhr, der Runde Tisch
Der Ausgangspunkt der Diskussion am Runden Tisch waren folgende Themen:
- Trends im FS-Erlernen im frühsten Alter (Kindergärten, Grundschulen), auf Mittelschul- und Gymnasialniveau, auf Universitätsebene und in den Privateinrichtungen
- Sprachenpolitik im slowenischen Schulsystem
- Zusammenarbeit Sloweniens mit den Partnern aus dem deutschsprachigen Raum
- Beispiele guter Praktiken aus dem Ausland (Österreich, Deutschland, Belgien)
Es wurde mit einem Einleitungsreferat über Interkulturalität von Frau Prof. Dr. Vida Jesenšek (Germanistikabteilung an der Uni Maribor, Kontakt: vida.jesensek@uni-mb.si) begonnen. Es ist wichtig, Grenzen abzubauen und bereit zu sein, für das Lernen und Zulassen von dem „Anderen“. Es ist wichtig Sprachen nicht aussterben zu lassen. Leider ist das oft der Fall und so kann man auch sagen, dass mit der Sprache auch die Kultur zum Teil mit ausstirbt. Die EU trägt zwar viel zur Pflege der EU-Sprachen bei; wir müssen uns aber auch bewusst sein, dass man auch Kulturen pflegen und annehmen muss, denn kulturelle Vielfalt ist für Menschen bereichernd. Sie zitierte Ludwig Wittgenstein: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“; auch Goethe: „Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen.“
Im slowenischen Raum wird das Lernen der Fremdsprachen zu wenig gefördert (mit Ausnahme des Englischen), vor allem die Nachbarssprachen. Es ist ähnlich auch in anderen EU-Ländern. Die zweite Fremdsprache wird aus den Curricula oft weggelassen, was eine Verarmung der Werte einer Kultur verursacht. Dr. Jesenšek spricht auch die Kulturidentität an. Fremdsprachenlernen ist wichtig zur Verständigung von anderen Kulturen, Sprachen sind Brücken für Zusammenarbeit, mit Sprachen kommt man einander näher. Heute sind Fremdsprachen wichtiger denn je.
Am runden Tisch nahmen noch 9 andere GesprächspartnerInnen teil:
Frau Stanka Emeršič (Kontakt: stanka.emersic@guest.arnes.si) stellte die Aktivitäten im Deutschunterricht der Volksschule Janko Padežnik vor. Die SchülerInnen können dort die erste Fremdsprache (Deutsch oder Englisch) wählen, was sonst nicht üblich ist in den slowenischen Volksschulen (meistens Englisch). Die Schule hat ein eigenes Fremdsprachen-Modell. Es gibt auch einen deutschen Lesewettbewerb und die Möglichkeit andere Fächer in der Fremdsprache zu unterrichtet bekommen. Dazu gibt es seit 11 Jahren ein bilaterales Projekt – Partnerschaft mit der Schule Berliner Ring aus Graz. Zusammen machen sie eine Kunst-Werkstatt und gemeinsame Ausstellungen in Graz und Maribor. Die SchülerInnen führen auch ein Musical auf – „Aquarellius“ in slowenischer und deutscher Sprache. Weiter berichtete Frau Emeršič noch über unzählige weitere Aktivitäten und Projekte (Comenius Projekte, Ausflüge nach Österreich, Europäischer Tag der Sprachen,…). Eine Schülerin von Frau Emeršič war dabei und hat über ihre Erfahrungen berichtet und über ihre Motivation, Deutsch zu lernen, gesprochen.
Frau Melanie Deng (Frühförderstelle/Kinderfreunde Steiermark, Kontakt: fruehfoerderstelle@kinderfreunde-steiermark.at) berichtete über ihre Erfahrungen in der Einzelförderung im Klein-Kind-Bereich. Sie arbeitet hauptsächlich mit Kindern in Migrantenfamilien (die Deutsch lernen). Die Kinder (3 bis 5 Jahre) haben Spaß am Sprachenlernen. Die Frühforderung befasst sich mit dem Kind als Ganzes, so werden verschiedene Bereiche gefördert: Motorik, Feinmotorik, Bewegung, Sprache,… zusammen mit der ganzen Familie (Eltern und Geschwister). Die Qualität der Muttersprache ist sehr wichtig für das Erlernen einer Fremdsprache. Gelernt wird vor allem auch mit Bewegung und Musik.
Frau Danica Perše, Srednja zdravstvena šola Maribor (Mittelschule für Gesundheitswesen Maribor, Kontakt: danica.perse@guest.arnes.si). In dieser Mittelschule lernen von 800 SchülerInnen 200 Deutsch als erste Fremdsprache, was sehr zu loben ist. Es gibt eine Zusammenarbeit mit den Schulen aus Graz, Ulm, München,… Regelmäßig finden Fach-Exkursionen ins Ausland statt. Was sehr wichtig ist, es gibt einen Praktikumsaustausch zwischen den Schulen. Aus einer Zusammenarbeit von mehreren Ländern wird bald ein 5-sprachiges Wörterbuch entstehen (Deutsch, Englisch, Slowenisch, Kroatisch und Albanisch). Es gibt auf der Schule auch immer wieder Lektoren, die Deutsch als Muttersprache sprechen und dann die SchülerInnen nicht nur in Fremdsprache unterrichten, sondern auch die eigene Kultur vorstellen und näher bringen. Man hat eine Umfrage bei den Krankenschwestern im Krankenhaus gemacht und festgestellt, dass die deutsche Sprache in diesem Beruf durchaus gebraucht wird.
Frau Prof. Dr. Karmen Teržan-Kopecky (Abteilung für Translation an der Uni Maribor; Kontakt: karmen-kopecky@uni-mb.si) berichtete über ein vergangenes Projekt von einem gemeinsamen Hörsaal der Uni Maribor und der Uni Graz. Die Idee war, dass die StudentInnen Lehrveranstaltungen an den beiden Unis beiderseits der Grenze besuchen konnten. Es gab einen Minibus, der die StudentInnen hin- und retour gebracht hat. Ein ähnliches Projekt gab es zwischen Bratislava und Wien. Das Projekt des gemeinsamen Hörsaals (genannt „der fliegende Hörsaal“) lief ein Paar Jahre, bis es zu finanziellen Problemen gekommen ist und die Stadtgemeinde Maribor nicht bereit war, dies zu fördern. Die Uni hat sich zwar entschlossen, das Projekt weiterzuführen und noch andere Abteilungen einzubeziehen, doch die ursprüngliche Idee ging irgendwie verloren.
Frau Lea Štiberc (DOBA, Kontakt: lea.stiberc@doba.si) berichtete uns über die Erfahrungen des Fremdsprachenlernens für Erwachsene. Sie hat ausführlich die Statistik des Sprachenlernens in Slowenien vorgestellt. 92 % der Erwachsenen in Slowenien sprechen mind. eine Fremdsprache (dazu zählt auch Serbokroatisch, das in den Zeiten von Jugoslawien die Amtssprache war). Die Statistik setzt Slowenien in die Spitze (nach Litauen, Lettland, Schweden,…) nach dem Fremdsprachenlernen.
Eine der Eingeladenen war auch Frau Christiane Kordić (Kontakt: christiane.kordic@siol.net). Sie ist Deutsche, die seit vielen Jahren in Maribor lebt. Sie hat aus ihren zahlreichen Erfahrungen aus dem Privatleben (sie Deutsche, Vater Kroate, Sohn wächst in Slowenien auf), als Lehrerin und als Fremdenführerin erzählt. Sie hat auch die Probleme, die man als Einwanderer in einem fremden Land hat, angesprochen (Heimweh, Nostrifizierung,…).
Frau Mag.a Ivanka Gruber, die Vorsitzende des Vereins „Österreichisch-Slowenische Freundschaft Graz“ hat über die Tätigkeiten des Vereins berichtet. Der Verein ist 1993 entstanden und ist im Kultur- und Bildungsbereich tätig (Symposien, Ausstellungen, Literaturabende, Sprachkurse, Exkursionen, Workshops). Es gibt eine sehr starke Zusammenarbeit auch mit anderen Institutionen und der österreichischen und slowenischen Botschaft.
Auch die Österreich Bibliothek leistet im Rahmen der Universitätsbibliothek in Maribor einen wichtigen Beitrag für die Durchsetzung der deutschen Sprache in unserem Raum. Die Rolle und Tätigkeiten der Österreichischen Bibliothek stellte Frau Mateja Škofljanec (Kontakt: mateja.skofljanec@uni-mb.si), Fachmitarbeiterin und Bibliothekarin in der ÖB, vor.
Frau Mojca Trafela vom Regierungsamt für lokale Selbstverwaltung und regionale Entwicklung SI-AT (www.si-at.eu, Kontakt: Mojca.Trafela@gov.si) sprach über die Tätigkeiten und Projekte im Gemeinsamen Technischen Sekretariat in Maribor, das 6 MitarbeiterInnen beschäftigt. Tatsache ist, dass es wichtig ist, mit dem Ausland zusammenzuarbeiten. Die EU und die Mitgliedsstaaten bereiten immer wieder neue Programme vor, die solche Zusammenarbeit stärken. Eines der solchen ist auch das Operationelle Programm der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit SLO-AUT für den Zeitraum 2007-2013, dessen Ziele und Herausforderungen bezüglich des FS-Gebrauchs präsentiert wurden.
Die Diskussion am runden Tisch können Sie sich auch online anschauen – unter: www.doba.si/ebid
2. 12. Mai 2010, Nachmittag
Am Nachmittag gab es erst die Vorstellungsrunde der Workshop-TeilnehmerInnen und ReferentInnen und anschließend eine Diskussionsrunde über die Thematik, die am runden Tisch angesprochen worden ist. Die TeilnehmerInnen und ReferentInnen haben eine Erfahrungsaustauch-Runde gemacht. Der rote Faden waren einige Fragen: Wie sieht die aktuelle Situation beim Fremdsprachenerlernen auf unterschiedlichen Ebenen und in den einzelnen Ländern aus? Wie war die bisherige Entwicklung, wohin hat sie uns gebracht? Welche sind die Vor- und Nachteile dieser Fremdsprachenpolitik? Können wir damit leben? Welche sind die Unterschiede in den einzelnen Ländern? Gibt es doch positive Entwicklungstendenzen?
3. 13. Mai 2010, 10.00 bis 17.00 Uhr
Die Workshop-TeilnehmerInnen haben sich in zwei Gruppen aufgeteilt: Erwachsenenbildung & Fremdsprachenerlernen bzw. formelles Fremdsprachenerlernen. In den beiden Gruppen wurde über die Motivation für Fremdsprachenlernen, Best-Practice Beispiele, Ideen und Vorschläge zur Ausbesserung der Lage diskutiert.
Als Orientierung dienten einige Fragen: Gibt es Beispiele guter Praktiken aus Ihrer Umgebung? Haben Sie selber individuelle Erfahrungen aus Pilotprojekten u. ä.? Kann man solle Ansätze in andere Bereiche überbringen? Welche sind die Elemente, die man aus den einzelnen bestehenden oder abgeschlossenen Projekten übernehmen könnte? Inwieweit lassen sich die neuen Technologien, wie z. B. E-Learning, in das neue Konzept einbauen?
Beide Gruppen schlossen ihre Arbeit mit der Präsentation der Resultate ab.
Daraus lassen sich folgende Schlussfolgerungen ableiten:
Wenn man vom Allgemeinen ins Detail geht, dann kann man den Gedanken von Vida Jesenšek aus dem Einleitungsreferat wider aufgreifen; dass man durch das Erlernen der Fremdsprachen auch die eigene Sprache besser kennen lernt. Dadurch wird man reicher, toleranter dem Anderen gegenüber, extrovertiert, offener im Handeln und in eigenen Überlegungen.
Die Motivation ist schlechthin das Schlüsselwort: die Motivation der Lernenden, aber noch mehr die Motivation der Schule, der Lehrenden. Wichtig ist das "(Er)Leben" der Fremdsprache – im Vorschulalter geschieht dies durch das Spielen, das Füllen der Sprache. Im fortgeschrittenen Alter, bei den Jugendlichen, aber auch bei den Erwachsenen soll der Nutzen in den Vordergrund gestellt werden: Berufsvorbereitung und Auslandspraktika, Austausch, eigene Erfahrungen von Erwerbstätigen auf dem Arbeitsmarkt.
Dabei soll die Kontinuität in der gesamten Vertikale des formellen Fremdsprachenerlernens nicht außer Acht gelassen werden. Der Wunsch nach einem breit gefächerten Angebot der Fremdsprachen muss aus den Schulen kommen, es gibt zahlreiche Projekte, in denen dies immer wieder bekräftigt wird (Grenzregionen). Jedoch stehen noch immer viele "am Rande" und suchen nicht nach neuen Wegen, Ansätzen.
Aufarbeitung:
Das Thema, mit dem sich der Runde Tisch und in der weiteren Folge der Workshop, auseinandersetzten, fand ein gutes Echo in den Medien in Slowenien (Veröffentlichungen in der Tageszeitung Večer, Beitrag im lokalen Fernsehen RTS). Die Ergebnisse des Runden Tisches sowie des Workshops werden noch in der praxisorientierten Zeitschrift des slowenischen Deutschlehrer und Deutschlehrerinnen "Schaurein" präsentiert.
Einige Fotoeindrücke:
Gruppe: formelles Fremdsprachenerlernen (ein Vergleich des Fremdsprachenerlernens in den am Workshop teilnehmenden Ländern)
Gruppe: Erwachsenenbildung & Fremdsprachenerlernen (Präsentation der Gruppenarbeit)
Anschließen erfolgte eine Evaluation seitens der Veranstalter mit Fragebögen.
4. 13. Mai 2010, 17.00 Uhr
Die Stadtführung durch Maribor mit Frau Kordić, die uns Maribor aus ihrer Sicht als Einwanderin gezeigt hat. Die Führung haben wir in einem Restaurant mit typisch serbischer Küche abgeschlossen.
5. 14. Mai 2010
Der Abschluss des Projekt-Workshops, Abreise.
Polonca Kosi
Leitring, Bildungshaus Schloss Retzhof, am 26. 05. 2010
Andreja Pignar Tomanič
Maribor, DOBA / Slowenien, am 26. 05. 2010